Herbstexkursion Thusis-Oberhalbstein-Julierpass
Unter kundiger Führung unseres Archäologen Othmar Wey besuchten bei sonnigem Herbstwetter ein Dutzend Mitglieder der Steinzeitwerkstatt Boniswil die Region
Thusis- Tiefencastel-Oberhalbstein-Julierpass, durch die spätestens seit der Römerzeit wichtige Handelsrouten der Nord-Südalpenquerung führten.
Die zweitägige Exkursion führte uns am Samstag zu urgeschichtlichen Siedlungs-plätzen bei Lenz und Cazis sowie zu den Felszeichnungen bei Carschenna.
Auf einem abschüssigen vom Gletscher rund geschliffenen Felssims regten gepickte konzentrische Kreisdarstellungen, Punktbilder und deutlich
erkennbare beladene Lasttiere zum Nachdenken an. Da freiliegend der Witterung ausgesetzt, werden diese noch heute rätselhaften Felszeichnungen im Laufe der kommenden Jahrhunderte allerdings für
immer verloren gehen.
Auf der Burgruine Hohen Rätien überraschte uns die atemberaubende Aussicht von der Plattform des besteigbaren
Turmes.
Die Eigentümerin, die Familie Jecklin, unterhält und erforscht die Anlage dank einem Förderverein und ihrer Familienstiftung. Herr Jecklin erläuterte uns die neuesten
Erkenntnisse über die Nutzung der Anlage als Sust für Säumer und Lasttiere auf ihrer Route von Chur via der Viamala nach Italien. Siedlungsspuren aus der Bronze- und Römerzeit zeigen, dass hier
bereits Jahrtausende früher Menschen wohnten.
Als ideale „Sust“ für unsere Exkursion erwies sich das Hotel Albula-Julier in Tiefencastel. Wir wussten den modernen Komfort und die feine Verpflegung zu
schätzen, wenn wir uns die Plackerei der mittelalterlichen Handelsreisenden oder der römischen Legionäre vorzustellen versuchten.
Der zweite Tag war ganz dem Oberhalbstein gewidmet. Wir besuchten mit Carschenna vergleichbare Felsbilder oberhalb von Tinizong sowie bronzezeitliche und römische
Siedlungen auf der Motta Vallac bei Salouf sowie bei Savognin. Othmar machte uns zudem auf den bedeutenden prähistorischen Erzabbau im Surses aufmerksam. Hier wurde in den Bergen oberhalb von
Savognin und Marmorera auf über 2000 m Höhe seit der späten Bronzezeit Kupfer- und Eisenerzlagerstätten ausgebeutet. Abraum- und Schlackenhalden sind dort oben heute noch sichtbar.
Während der angenehmen Mittagspause im Restaurant Murmarera am Marmorerasee sahen wir uns die Burg Marmels, die in einer steilen, schattigen Felswand klebt,
lieber aus der Ferne an.
Alsdann fuhren wir auf den Julierpass, wo bei Ausgrabungen eines kleinen römischen Heiligtums auch die zwei heute dort stehenden Säulenfragmente zu Tage kamen.
Kurz unterhalb des Julierpasses, in der Nähe von La Veduta, finden sich in den Fels eingetiefte Karrengeleise. Es ist nicht
einfach, dem Verlauf der historischen Passstrasse zu folgen, denn das Gelände hat sich in 2000 Jahren stark verändert. Wasser sorgte fürs Abrutschen weicher Geländepartien, Felsstürze deckten mit
schweren Blöcken die Trasse immer wieder zu. Hier lernten wir auch die Geschichte des heute nur noch Wanderern bekannten Septimerpasses kennen, der lange
Zeit in direkter Konkurrenz zum Julierpass stand.
Voll von Erinnerungen an die malerische, sehr abwechslungsreiche Landschaft des Surses mit ihrer eigenen wechselvollen Geschichte traten wir unsere Heimreise an,
einige so begeistert, dass sie kaum die nächste Exkursion abwarten mögen.
(Text und Fotos: Toni Schamböck/Othmar Wey)